Der Elektrische Zugbetrieb in Schlesien
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m Jahre 1910 richtete die preußische Staatsbahnverwaltung auf der Teilstrecke Dessau-Bitterfeld der Strecke Magdeburg-Bitterfeld-Leipzig einen Versuchsbetrieb mit elektrischer Zugförderung mittels einfachen Wechselstroms ein. Das Jahr 1910 ist also das Geburtsjahr des elektrischen Betriebes auf Vollbahnen in Deutschland.
In demselben Jahre wurde der Beschluß gefaßt, diesen Versuch auf den übrigen
Teil der Strecke Magdeburg-Bitterfeld-Leipzig und Leipzig-Halle, die eine Flachbahnstrecke ist, sowie auf eine Gebirgsbahn, die schlesische Gebirgsbahn unter Beschränkung auf
die Teilstrecke Lauban-Königszelt und deren südliche Anschlußlinien, auszudehnen. Der Ausbau dieser Strecke wurde 1911 in Angriff genommen.
Er war nahezu vollendet, als der Krieg ausbrach und die Bauarbeiten zm Erliegen brachte.
Erst nach dem Kriege konnten die Bauarbeiten unter großen Schwierigkeiten zu Ende geführt und die Strecken abschnittsweise allmählich dem elektrischen Betriebe übergeben werden.
| Streckenübesicht |
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is zum Ende des Jahres 1927 wurden in Deutschland 1219 km des Reichs-
bahnnetzes elektrisch betrieben. Das sind 2 1/2 Prozent des gesamten Reichsbahnnetzes.
Hiervon entfielen auf Schlesien 261 km. Der elektrische Zugbetrieb
in Schlesien umfaßte nach dem ersten Ausbau im Jahre 1921 die 127 km lange Strecke
Königszelt-Hirschberg-Lauban der schlesischen Gebirgsbahn und die von ihr nach Süden in das Gebirgsgelände ausstrahlenden Seitenlinien Niedersalzbrunn-Halbstadt,
Ruhbank-Liebau und Hirschberg-Schreiberhau-Polaun mit Zusammen 105 km Länge.
Er blieb aber zunächst unvollkommen. Erstreckte er sich doch nur auf den Teil der Strecke
Breslau-Görlitz, der allerdings die schwierigsten Streckenverhältnisse aufwies,
es aber doch nicht erlaubte, die Vorteile des elektrischen Betriebes in vollem Umfange auszuwerten. Ungefähr 50 km vor Brenslau endigte der elektrische Betrieb, um die Dampflokomotive mußte die Weiterbeförderung der Züge bis Breslau Übernehmen.
Ebenso mußte in Lauban die Lokomotive gewechselt werden. Sowohl Königszelt wie
Lauban waren als Lokomotivwechselbahnhöfe wenig geeignet, so daß der Betrieb
ungünstig beeinflußt wurde. Der Streckenabschnitt Lauban-Görlitz konnte
1923 in den elektrischen Betrieb einbezogen werden. Damit war der eine Endpunkt des Betriebes in einen Bahnhof verlegt, der sich betrieblich und verkehrlich dafür eignet.
Es verblieb aber noch der unwirtschaftliche Wechsel der Betriebsart in Königszelt.
Im Jahre 1926 konnte endlich auch mit dem Ausbau der Reststrecke Breslau-Königszelt
begonnen werden. Nach kurzer Unterbrechnung der Bauarbeiten im Winter des Jahres 1926/27 wurden sie im Mai 1927 wieder aufgenommen und so gefördert, daß die Betriebsaufnahme am 28.Januar 1928 erfolgen kann. Gleichzeitig ist die Ausrüstung der
von Lauban ausgehenden Strecken Lauban-Kohlfurt und Lauban-Marklissa begonnen worden.
| Bahnkraftwerk in Mittelsteine |
Auch auf diesen Strecken wird die Aufnahme des elektrischen Betriebes in der nächsten
Zeit vor sich gehen. Damit wird die Länge des betrieblichen Netzes in Schlesien auf
351 km angewachsen. Dieses Netz steht damit an Umfang und Bedeutung an zweiter Stelle in Deutschland. Mit dem jetzigen Ausbau ist ein vorläufiger Abschluß der
Elektisierungspläne für Schlesien erreicht. Ein betrieblich zusammenhängendes Netz wird von jetzt ab einheitlich elektrisch betrieben werden.
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ie elektrische Lokomotive vermag viel großere Leistungen zu entwickeln und ohne Vorspann
weit größere Lasten mit größerer Geschwindigkeit namentlich auf Steigungsstrecken zu befördern. Von diesem Vorteil ist schon bisher nach Aufnahme
des elektrischen Betriebes in großem Umfange Gebrauch gemacht worden. Die Reisenden der
Personenzüge zwischen Königszelt und Görlitz konnten um fast eine Stunde, die
der Güterzüge um mehrere Stunden gekürzt werden.
Für das reisende Publikum tritt daneben die Annehmlichkeit der völligen Rauchfreiheit des elektrischen Betriebes ein. Kein Rauch und Ruß schmälern den Genuß bei der Fahrt durch die landschaftlich so schönen Gegenden Schlesiens.
| Postkarte der Johann-Baptista-Grube in Schlegel |
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eim elektrischen Betriebe wird die für die Zugbewegung erforderliche Energie in einem
Kraftwerk erzeugt und den Fahrzeugen durch eine über den Gleisen gespannte Fahrleitung zugeführt.
Die schlesische Gebirgsbahn wird von einem in Mittelsteine in der Grafschaft Glatz errichteten Bahnkraftwerk mit Strom versorgt. Das Kraftwerk ist in den Jahren 1912 bis 1914
von den Siemens-Schuckertwerken und der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft (AEG) auf
eigene Rechnung erbaut worden. Es ist im Jahre 1926 von der Reichsbahn angekauft und durch
Aufstellung neuer Maschienen wesentlich erweitert worden.
Für den Bau an dieser Stelle
war die Verwendung einer minderwertigen billigen Kohle, die ohne größeren Transportweg dem Kraftwerk zugeführt werden konnte und das Vorhandensein von ausreichen
Wassermengen für die Niederschlagung des Turbinenabdampfes, die aus dem Steinebach gewonnen werden, bestimmt. Die zur Verfeuerung kommende Kohle wird in der 12 km entfernten
Johann-Baptistagrube der Neuroder Kohlen und Tonwerke gewonnen. Das Kraftwerk ist zurzeit
mit vier Stromerzeugern von je 4000 kW und einem von 8000 kW, zusammen also mit 24 000 kW
ausgerüstet. Außerdem sind noch zwei Drehstrommaschinen von je 2000 kW vorhanden.
Eine weitere Drehstromturbine von 6400 kW ist zurzeit im Bau.
| Kesselhaus, Maschienenraum von der Schaltbühne aus und Schaltbühne des Bahnkraftwerkes Mittelsteine |
Das Kraftwerk liefert außer dem Bahnstrom noch Drehstrom für Industrie- und
allgemeine Zwecke an die Grafschaft Glatz und an die genannte Kohlenzeche. Die von der
Grube kommende Kohle wird mit Selbstentladewagen dem Kraftwerk zugeführt und durch
ein Brechwerk in die über den Kesseln angeordneten Hochbehältern entladen. Von
dort gleitet sie selbstständig den Kesseln zu, die mit mechanischer Feuerung versehen
sind. Die bei der Verbrennung auftretenden Rückstände werden in einen Hochbehälter befördert, aus dem sie wieder in die Kohlewagen geladen werden,
um in der Grube beim Versatz der abgebauten Strecken Verwendung zu finden. Auf dem Wege
von der Grube bis zur Verbrennung wird die Kohle also von keines Menschen Hand berührt.
Unterwerk Niedersalzbrunn vor der Erweiterung
Erweiterung des Unterwerkes Nieder-Salzbrunn in Freiluftbauweise
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er von den Bahnstromerzeugern gelieferte elektrische Strom besitzt eine Spannung von 3000 Volt.
Mit dieser Spannung kann er nicht auf größere Entfernungen übertragen werden, weil dabei große Verluste auftreten würden. Diese Verluste werden um so kleiner, je höher die Über
tragungsspannung ist. Die elektrische Energie wird daher durch Transformatoren auf eine
Spannung von 80 000 Volt gebracht, mit der sie durch eine Fernleitung von 160 km Länge
zu den Unterwerken gelangt.
Der von dem Kraftwerk mit 80 000 Volt gelieferte Strom kann nicht ohne weiteres für die
Fahrleitung verwendet werden, da es nicht möglich ist, die Fahrleitung für eine
so große Spannung ausreichend zu isolieren. Es muß daher eine nochmalige Umspannung des Stromes vorgenommen werden. Das geschieht in den Unterwerken, in denen der Strom von 80 000 Volt auf 15 000 Volt herabgespannt wird. Diese Unterwerke sind die eigentlichen Speisepunkte der Fahrleitung. Bisher waren drei Unterwerke vorhanden, und zwar
in Niedersalzbrunn, Hirschberg und Lauban. Anfänglich war noch ein viertes Unterwerk in Ruhbank eingerichtet worden, das aber inzwischen stillgesetzt werden konnte.
Durch die Ausdehnung des elektrischen Betriebes auf die Strecke Breslau-Königszelt wird ein weiteres Unterwerk notwendig, das in Breslau errichtet wird. Dieses Unterwerk wird erst im Laufe des Jahres 1928 ausgebaut werden. Vorläufig wird also die Strecke
Breslau-Königszelt von dem Unterwerk Niedersalzbrunn aus mitgespeist.
Die Abbildungen links zeigen das Unterwerk Niedersalzbrunn vor und nach der Erweiterung.
Der Elektrische Betrieb in Schlesien hat nach Überwindung von Kriegsfolgen (1.WK) und bei neuen technischen
Entwicklungen unvermeidlichen Anfangsmängeln, sich im vollen Umfang bewährt. Die Reichsbahn beabsichtigte daher,
die Elektrifizierung im größeren Umfang auszudehnen. Leider verhinderte der 2. Weltkrieg und sein bekanntes Ende
weitere Ausdehnung. Nach Kriegsende fielen ein Großteil der Anlagen, Ausrüstungen und Fahrzeuge unter die Reperationsleistungen,
wurden demontiert und in die damalige Sowjetunion abtransportiert.
Die polnische Staatsbahn elektrifizierte später eine Reihe von Strecken wieder neu. Da eine andere Stromversorgung aufgebaut
wurde, waren die alten noch vorhandenen Anlagen nicht mehr erforderlich.
Reste alter Anlagenteile aus Zeiten der Deutschen Reichsbahn sind noch an den Strecken der schlesichen Gebirgsbahnen zu finden.
So sind Reste des Bahnkraftwerkes in Mittelsteine, drei der alten Unterwerke, soewie Fahrleitungsmaste und Fundamente zu
sehen. Aber auch diese Relikte aus Reichsbahnzeiten verschwinden wie ein Teil der Strecken unwiederruflich.
Spurensuche !
Auch wenn das Unterwerk in Hirschberg nicht mehr steht, hat es mich doch interresiert wo es einst stand
und ob noch Suren davon zu finden sind. Auf den nachfolgenden Aufnahmen einer alten Postkarte Hirschbergs
endeckte ich das Unterwerk. Vermutlicher Standort ist die Fläche zwischen den Gleisen der Haupbahn
Hirschberg - Görlitz / Schreiberhau und der abzweigenden Strecke Hirschberg - Löwenberg.
An der vermuteten Stellen konnten ein paar Fundamente und Betonreste gefunden werden.
Vielleicht war ich an der Richtigen Stelle?
Aber seht die Fotos und entscheidet selbst.
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